Nr. 1: Mäßig

Nr. 2: Mäßige Achtel

Nr. 3: Bewegt

>>> Quellen  

AUFFÜHRUNGSDAUER: ca. 14 Min.

FASSUNGEN:
Nr. 2 arr. Ferruccio Busoni (1910) (Klavier)

VERLAG:
Universal Edition
Belmont Music Publishers (USA, Kanada, Mexico)

Die Drei Klavierstücke stammen aus Schönbergs äußerst produktiver Schaffensphase des Jahres 1909, in welcher auch die Fünf Stücke für Orchester op. 16 und »Erwartung« op. 17 entstanden sind. Neben grundlegenden Neuerungen der Materialbehandlung (vor allem in der Lösung von den formbildenden Hierarchien tonikalen Denkens) zeigen sich freilich wesentliche Elemente der musikalischen Tradition erhalten. Beim ersten Stück von op. 11 lässt sich etwa in groben Umrissen durchaus eine dreiteilige Form (A–B–A’) erkennen, auch eine herkömmliche thematische Arbeit im Sinne etwa der Lisztschen Transformationstechnik ist zu Anfang deutlich nachvollziehbar. Ebenso könnte ein Bezug zu den letzten Klavierintermezzi von Brahms in ihrer engmaschigen Motivtechnik, wohl abgewogenen Artikulation und Rhythmusstruktur hergestellt werden.
Das zweite Stück mit seinem langsamen, düsteren Thema über einem Bass-Ostinato aus zwei Tönen kann freilich noch erheblich deutlicher in tradierte Erfahrungsmuster eingebunden werden als das abschließende Stück, dessen erhebliche satztechnische Dichte und impulsiv hervorbrechende Klanggestik Theodor W. Adorno von einem Beispiel »informeller« Musik sprechen ließen. Schönbergs um 1910 zu beobachtendes radikales »Ausdrucksbedürfnis« als triebbestimmter, von kunstreligiösen Ideen begleiteter, scheinbar voraussetzungsloser Umgang mit der Überlieferung, erweist sich in Wirklichkeit als äußerst rational durchdacht. In diesem Sinne erscheint etwa Ernst Blochs Begriff der »Expressionslogik« in Bezug auf Schönberg als janusköpfig: »Jeder Akkord«, so betonte der Komponist etwa in seiner »Harmonielehre«, »entspricht einem Zwang [...] meines Ausdrucksbedürfnisses, vielleicht aber auch dem Zwang einer unerbittlichen, aber unbewußten Logik in der harmonischen Konstruktion«.
Die Ästhetik einer rücksichtslosen Ich-Bezogenheit des Ausdruckswillens, die Schönberg in dieser Zeit auch mit Wassily Kandinsky teilte, vermied zwar in den Klavierstücken Wiederholungen, die durchgängige Anwendung thematischer Arbeit und natürlich tonale Dreiklänge, aber sie verwirklichte dennoch fast unmerklich motivische Verknüpfungstechniken und ein ausgewogenes Proportionsdenken in der Abfolge von Spannung und Entspannung. Es handelt sich hierbei offensichtlich nicht um eine Verfahrensweise, die Tradition bedenkenlos zerstört, sondern lediglich um einen grundlegenden Abstraktionsvorgang, indem all dasjenige, was an »klassischen« Formmustern bereits zum Klischee, zur abgegriffenen Geste geworden war, gleichsam auf eine noch nicht zum Schema verengte Substanz zurückgeführt werden sollte: auf ausbalancierte Verhältnisgefüge von dichter und lockerer Fügung, lauter und leiser, rascher und langsamer Gestaltung, durch die eine traditionelle Formschulung (freilich in äußerster Vermitteltheit) auch weiterhin durchscheint.

Matthias Schmidt | © Arnold Schönberg Center